Aktuelle Probleme der Wirtschaftspolitik
Diensleistungsrichtlinie
Seminararbeit 2
Sebastian Fietz
Im Folgenden werde ich kurz die Dienstleistungsrichtlinie beschreiben. Anschließend erläutere ich das Heckscher-Ohlin-Modell, um es auf die Dienstleistungsrichtlinie anwenden zu können und so die Auswirkungen dieser anhand eines Beispiels zu prognostizieren.
Die Dienstleistungsrichtlinie hat sich zum Ziel gesetzt den Handel mit Dienstleistungen innerhalb der europäischen Union
zu vereinfachen. Dies soll zu einem höheren Wettbewerb und damit verbunden zu niedrigeren Preisen und einem größeren
Angebot für die Konsumenten führen.
Um dieses Ziel zu erreichen sollen die Verwaltungsvorschriften für die Genehmigung vereinfacht werden, so
dass ein Unternehmen seine Dienstleistung möglichst ohne unnötige Genehmigungsprozesse im EU-Ausland
anbieten kann. Zur Vereinfachung der Rechtslage beinhaltete die ursprüngliche Dienstleistungsrichtlinie das
Herkunftslandsprinzip, d.h. der Dienstleistungsanbieter muss sich an die Vorschriften seines Herkunftslandes
halten. Dies ist das Land in dem er seinen Hauptsitz hat. Dieses Land muss den Dienstleistungsanbieter auch
kontrollieren.
Das Herkunftslandsprinzip war sehr umstritten und ist im 2. Entwurf der Dienstleistungsrichtlinie nicht mehr enthalten. Die
zweite Version der Dienstleistungsrichtlinie ist ebenfalls noch nicht entgültig beschlossen worden.
Beim Herkunftslandsprinzip befürchteten die Länder, welche schon länger in der EU sind, wie z.B. Deutschland und
Frankreich, das sie zu harte Konkurrenz aus den Ländern mit niedrigeren Löhnen bekommen. Diese Niedriglohnländer sind
vor allem die neu eingetretenen Länder Osteuropas. Im weiteren Verlauf werde ich anhand des Heckscher-Ohlin-Modells
erläutern ob diese Befürchtung berechtigt ist und welche weiteren Konsequenzen die Dienstleistungsrichtlinie demnach hat. Ich
werde mich somit auf das Herkunftslandsprinzip beschränken.
Das Heckscher-Ohlin-Modell wird auch Faktorproportionentheorie genannt. Es nimmt den Unterschied in den Ressourcen
als einzigen Grund für Außenhandel an. Demnach benötigen die verschiedenen Produkte unterschiedliche Ressourcen
(Inputs) und die Länder die Handel treiben haben unterschiedliche Ressourcen, bzw. die Ausstattung mit diesen ist
unterschiedlich groß. Im Modell wird immer von perfektem Wettbewerb ausgegangen. Es gibt 2 Länder, es können 2
verschiedene Güter produziert werden, wofür 2 unterschiedliche Ausgangsstoffe erforderlich sind. Beide Länder haben
die Gleiche Technologie, den gleichen Geschmack, jedoch eine unterschiedliche Ausstattung mit den beiden
Inputfaktoren.
In der Situation vor Außenhandel (getrennte Volkswirtschaften) Ist in Land 1 der Inputfaktor a knapp und in Land 2 der
Inputfaktor b. Der relative Preis des knappen Faktors ist höher als der relative Preis des reichlichen Faktors.
Lässt man nun Handel zu gleichen sich die relativen Preise an, d.h. in Land 1 wird der Faktor a relativ billiger
und b teurer. In Land 2 wird b relativ billiger und a teurer. Die Inhaber des knappen Faktors verlieren somit
durch den Handel und die Inhaber des reichlichen Faktors gewinnen. Insgesamt gibt es jedoch einen Gewinn
durch Einführung des Handels. Die Preise der Endprodukte gleichen sich bei Handel auch an. Im Folgenden
werde ich die Auswirkungen der Einführung der Dienstleistungsrichtlinie an einem frei gewählten Beispiel
zeigen.
Ich gehe davon aus, dass um eine Dienstleistung zu verrichten entweder körperliche Arbeit oder auf Wissen basierende
geistige Arbeit erforderlich ist. Es werden Computeranlagen installiert oder Gebäude gereinigt. Erwartungsgemäß
werden für die Computerinstallation mehr Einheiten an geistiger Arbeit benötigt, während die Gebäudereinigung
vorwiegend körperliche Arbeit benötigt. Im Beispiel Handeln Frankreich und die Slowakei. Wobei die Slowakei mehr
Arbeiter hat die körperliche Tätigkeiten verrichten können und Frankreich mehr geistige Arbeitskräfte hat. Es soll
nur die beiden Länder geben, andere werden hier vernachlässigt. Ich mache für meine Betrachtung folgende
Variablendeklarationen:
acg | die zur Installation einer Einheit Computeranlagen notwendige geistige arbeit, |
ack | die zur Installation einer Einheit Computeranlagen erforderliche körperliche Arbeit, |
arg | die zur Reinigung einer Einheit Gebäudenutzfläche erforderliche geistige Arbeit, |
ark | die zur Reinigung einer Einheit Gebäudenutzfläche erforderliche körperliche Arbeit, |
lg | lohn für geistige Arbeit, |
lk | Lohn für körperliche Arbeit, |
g | das Angebot an geistigen Arbeitskräften der Volkswirtschaft, |
k | das Angebot einer Volkswirtschaft an körperlichen Arbeitskräften, |
pc | Preis für die Installation einer Einheit Computeranlagen, |
pr | Preis für die Reinigung einer bestimmten Gebäudefläche, |
Qc | Menge der installierten Computeranlagen, |
Qr | Menge der gereinigten Gebäudeeinheiten, |
f (oberer Index f) | entsprechender Wert für Frankreich, |
s (oberer Index s) | entsprechender Wert für die Slowakei. |
Mit nachstehender Methode kann man das Lohnverhältnis der beiden Bereiche und das Faktoreinsatzverhältnis ermitteln: Auf der y-Achse trägt man das Verhältnis vom Lohn für geistige Arbeit zum Lohn für körperliche Arbeit ab. Auf der x-Achse das Verhältnis von vorhandener körperlicher zu geistiger Arbeit in der Volkswirtschaft . Eine ansteigende Gerade, welche nicht im Koordinatenursprung beginnt, zeigt bei welchem Verhältnis von körperlicher zu geistiger Arbeit es welches Lohnverhältnis gibt. Dieses Diagramm lässt sich sowohl für den Computersektor als auch für den Reinigungssektor erstellen. Führt man beide Diagramme zusammen, so wird sich zeigen, dass die Kurve für die Gebäudereinigung unterhalb derjenigen des Computersektors liegt, dass bedeutet: Die Reinigungsbranche hat einen hohen Bedarf an körperlicher Arbeit, wenn das Verhältnis von körperlicher zu geistiger Arbeit für jedes Lohnverhältnis größer ist als bei der Installation von Computeranlagen. Wenn die Einrichtung von Computeranlagen also 100 geistige und 10 körperliche Arbeitskräfte benötigt und die Gebäudereinigung 10 geistige und 50 körperliche Arbeitskräfte, dann hat der Computersektor einen höheren Bedarf an hoch ausgebildeten Arbeitskräften. Steigt der Preis für den intensiv genutzten Faktor, dann steigt auch der Preis des Gutes zu dessen Produktion der Faktor intensiv genutzt wird.
Einen Anstieg des Preises für eine Reinigungseinheit lässt sich so darstellen: Die y-Achse stellt den Einsatz an geistiger Arbeit und die x-Achse den Einsatz an körperlicher Arbeit dar. Die Menge an Reinigungseinheiten die man für einen Euro bekommt wird kleiner, daher wird die Isokostenkurve steiler, das Verhältnis des ist somit höher geworden. Dieser Effekt wird auch als Stolper-Samuelson Theorem bezeichnet.
So kommt man von den Güterpreisen auf das Faktoreinsatzverhältnis:
Auf der y-Achse trägt man das Verhältnis vom Lohn für geistige Arbeit zum Lohn für körperliche Arbeit ab. Auf der
negativen x-Achse den relativen Preis für die Installation einer Einheit an Computeranlagen . Die positive x-Achse stellt das
Verhältnis der Faktorausstattung dar. Der Erste Quadrant zeigt das Verhältnis von Faktorpreisen und den möglichen
Faktoreinsatzkombinationen, im 2. Quadranten befindet sich das Verhältnis von Faktor und Endpreisen der Dienstleistung.
Dieses Diagramm ist zu dem oben beschriebenen gespiegelt. Aussage der Abbildung ist, dass eine Erhöhung des relativen
Preises für Gebäudereinigungen die Kaufkraft der körperlichen Arbeiter erhöht und diejenige der gebildeten Arbeiter
vermindert. Es werden relativ mehr gebildete Arbeiter für die Gebäudereinigung eingesetzt, damit steigt auch die
Grenzproduktivität der körperlichen Arbeit in beiden Bereichen. Der Lohn kann auch als Grenzprodukt der Arbeit bezeichnet
werden.
Die Verteilung der Ressourcen wird mittels einer Edgeworthbox dargestellt. Dabei beschreibt die obere x-Achse den Arbeitseinsatz an körperlicher Arbeit in der Computerbranche und die Untere x-Achse denjenigen in der Reinigungsbranche. Die linke y-Achse stellt den Einsatz an geistiger Arbeit in der Gebäudereinigung und die Rechte denjenigen in der Computeranlageninstallation dar. Es bewegen sich jeweils Geraden aufeinander zu, deren Schnittpunkt ist die optimale Verteilung der Einsatzfaktoren. Verändert sich die Menge der Ressource eines Faktors so verändert sich die Größe der Edgeworthbox entsprechend, die Funktionen behalten ihre Steigung bei. Die Produktionsmenge derjenigen Dienstleistung steigt, deren intensiv genutzter Einsatzfaktor zunimmt. Auf Grund dieses Zusammenhanges steigen die Produktionsmöglichkeiten bei Einführung von Außenhandel. Somit sollte die Dienstleistungsrichtlinie einen Gesamtvorteil bringen. Hätten beide Länder die gleiche Faktorausstattung bliebe alles beim Alten. Per Annahme haben sie jedoch eine unterschiedliche Ausstattung mit den Inputfaktoren.
Nach dem ich nun die Verhältnisse innerhalb einer Volkswirtschaft beschrieben habe werde ich nun Außenhandel zulassen.
Man kann auch sagen, dass die Dienstleistungsrichtlinie eingeführt wird. Der Handel ist zwar auch ohne diese
nicht unmöglich, jedoch findet er auf Grund der Handelshemmnisse in wesentlich geringerem Umfang statt.
Praktisch gesehen haben wir zwar mit der Dienstleistungsrichtlinie nicht unbedingt einen perfekten Wettbewerb,
kommen dem jedoch schon viel näher. Nehmen wir also für das Modell an: Ohne Dienstleistungsrichtlinie kein
Dienstleistungshandel zwischen der Slowakei und Frankreich, mit Dienstleistungsrichtlinie Handel und perfekt
funktionierender Markt.
Vor Einführung des Handels waren in der Slowakei die hoch ausgebildeten Arbeitskräfte knapp, und in Frankreich die weniger
Ausgebildeten, daher war in der Slowakei der relative Preis für geistige Arbeit höher als in Frankreich und in Frankreich der
relative Preis für körperliche Arbeit höher. Das nachstehend beschriebene Schaubild zeigt, wie sich die Preise bei Einführung
des Außenhandels angleichen: Die y-Achse stellt den relativen Preis für Gebäudereinigungen dar. Auf der x-Achse wird die
relative Menge an Gebäudereinigungen abgetragen.
Eingezeichnet wird die fallende Nachfragekurve nach Gebäudereinigungen der Slowakei, die Angebotskurven von
Gebäudereinigungen für Frankreich, der Slowakei und der beiden Länder zusammen. Dies sind steigende Kurven. Die
Angebotskurve für Frankreich liegt ganz links, daneben die der Welt und rechts die Angebotskurve der Slowakei. Da die
Gebäudereinigung einen hohen Bedarf an körperlicher Arbeit hat kann die Slowakei diese besonders gut anbieten. Der
Schnittpunkt der Weltangebotskurve mit der Nachfragekurve gibt den neuen Preis für Gebäudereinigungen und die gehandelte
Menge. In der Slowakei werden nun weniger Gebäudereinigungen gehandelt. Der relative Preis wird steigen. In Frankreich
hingegen werden Gebäudereinigungen nun billiger und somit auch mehr gehandelt. Simultan werden Computerinstallationen
in Frankreich teurer und in der Slowakei billiger. Die Preise der beiden Dienstleistungen gleichen sich also
an. Die Slowakei exportiert Gebäudereinigungen und importiert Computerinstallationen, in Frankreich ist das
Verhältnis umgekehrt. Das entspricht dem Heckscher-Ohlin Theorem, welches besagt das ein Land immer das Gut
exportiert, bei dessen Produktion der Faktor reichlich genutzt wird, der auch in diesem Land reichlich vorhanden
ist. In der Slowakei werden durch Einführung des Handels die körperlichen Arbeiter gewinnen, diejenigen in
Frankreich verlieren. Bei den Gebildeten ist es umgekehrt, diejenigen in der Slowakei verlieren und die in Frankreich
gewinnen. Allgemein lässt sich sagen das immer die Besitzer der knappen Faktoren verlieren und die der reichlichen
gewinnen.
Das würde auch erklären warum die französischen Gewerkschaften und Arbeiterparteien gegen das Herkunftslandsprinzip sind. Sie vertreten die Interessen der meist wenig qualifizierten Arbeiter, die Gruppe welche durch die Einführung des Herkunftslandsprinzips verlieren würde. Die Elite in Frankreich würde zwar gewinnen, jedoch ist diese vermutlich nicht so stark organisiert. In ähnlich strukturierten Ländern wie zum Beispiel Deutschland sieht man jedoch das die konservativen Parteien, welche eher die Interessen der hochqualifizierten Arbeiter vertreten, für den Dienstleistungsrichtlinienentwurf sind. Da in der Slowakei die geringqualifizierten Arbeiter gewinnen, welche die Bevölkerungsmehrheit darstellen, wird sich die Regierung eher für den Entwurf aussprechen. Der Gesamtgewinn durch Einführung des Handels ist jedoch positiv. Es sollte somit möglich sein, dass die Gewinner den Verlierern eine Kompensationszahlung geben. Bei der Einführung einer solchen Kompensationszahlung kann es jedoch passieren das sich die Allokation verschiebt. Nimmt man den Gewinnern etwas weg um es den Verlierern zu zahlen, so sinkt die Kaufkraft der Gewinner. Das Heckscher-Ohlin-Modell gibt keine Auskunft über die Auswirkungen eines solchen Transfers. Da der Gesamtgewinn positiv ist und die europäische Union als Einheit das Wohl aller maximieren soll, hätte demnach das europäische Parlament dem Entwurf mit dem Herkunftslandsprinzip zustimmen sollen. Grund für die Ablehnung könnte sein, das die Länder welche gegen die Dienstleistungsrichtlinie in dieser Form sind eine Mehrheit haben. Die Mehrheiten gehen nach den Bevölkerungszahlen. Auch waren die neuen EU-Länder zum Zeitpunkt der Ablehnung noch nicht im Entscheidungsprozess involviert, die Alten EU-Länder wussten jedoch welche Staaten aufgenommen werden sollen. Eine wichtige Rolle spielen weiterhin die Interessenverbände. Die stark organisierten Gewerkschaften werden versuchen ihre Ansichten mit viel Aufwand durchzubringen.
In der Realität wird es nie einen perfekten Markt geben, auch Handeln die beiden Länder noch mehr Produkte als nur die beiden Dienstleistungen. Es ist auch nicht sicher ob die Technologie und der Geschmack wirklich gleich sind. Daher wird es auch mit Einführung des Herkunftslandsprinzips keinen vollständigen Ausgleich der Preise für die Inputfaktoren sowie die Dienstleistungen geben.
Beim im zweiten Entwurf vorgeschlagenen Erbringungslandsprinzip wird es diesen Preisausgleich nicht geben. Da die slowakischen Anbieter von Gebäudereinigungen bei ihrer Arbeit in Frankreich den dort üblichen Lohn zahlen müssen haben sie keinen Vorteil mehr. Sie haben zusätzlich noch die Transportkosten, bzw. höhere Kosten der Erbringung, da ihre Arbeiter erst in das andere Land müssen, sie sich mit den dortigen Gegebenheiten vertraut machen müssen usw. Demnach wird beim Erbringungslandsprinzip nicht so viel grenzüberschreitend gehandelt wie bei dem Herkunftslandsprinzip.
Leider habe ich keine Daten gefunden. Mit entsprechenden Daten über die genauen Verhältnisse ließe sich berechnen wie Stark sich der Lohn ändern würde. Somit könnte man in etwa sagen wie hoch der Verlust für die körperlich Arbeitenden in Frankreich wirklich würde.
Als Fazit lässt sich sagen, dass nach den Analysen mit dem Heckscher-Ohlin-Modell die Dienstleistungsrichtlinie mit dem Herkunftslandsprinzip einen Gesamtgewinn bringt und damit hätte beschlossen werden sollen.
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