8.  Zusammenfassung

Nachdem ich die Rahmenbedingungen ausführlich beschrieben habe, war in den sich anschließenden Kapiteln festzustellen, dass sich ein negativer Einfluss der Urheberrechtsverletzungen in Internettauschbörsen auf die Umsätze aus Tonträgerverkäufen nicht nachweisen lässt. Denn die Einnahmen der GEMA sind gleichzeitig gestiegen, so dass die Umsatzrückgänge nicht in vollem Umfang bis zu den Künstlern durchgedrungen sind. Weiterhin gibt es speziell für den Bereich Musik einige denkbare Geschäftsmodelle, die auch bei stärkerer illegaler Verbreitung urheberrechtlich geschützter Werke über Tauschbörsen noch Umsätze generieren könnten. Was sich hier in Zukunft entwickeln wird, ist schwer voraussagbar, aktuell droht aber keine Angebotsknappheit; daher scheint aus dieser Sichtweise zunächst kein regulierendes Eingreifen erforderlich zu sein. Man sollte die weitere Entwicklung jedoch genau beobachten, um gegebenenfalls eingreifen zu können.

Was sich als viel stärkeres Problem herausgestellt hat, ist die aktuelle Praxis der Urheberrechtsdurchsetzung. Es wird versucht, nur zahlenden Kunden den Konsum der entsprechenden Informationsgüter zu gewähren. Schwarzkopierer in Tauschbörsen werden rechtlich verfolgt und zur Abgabe einer Unterlassungserklärung sowie zur Zahlung von Schadenersatz einschließlich der durch die Abmahnung entstehenden Anwaltskosten aufgefordert. Dadurch wird das Angebot künstlich verknappt. Denn mögliche Konsumenten werden dadurch abgehalten, gewünschte Werk herunterzuladen. Ich erinnere hier an die Paretoverbesserung. Aufgrund der für Informationsgüter typischen Kostenstruktur fallen für die Erstellung des ersten Exemplars hohe Kosten an, jede weitere Kopie kann dann nahezu kostenlos erstellt werden. Deshalb wäre es gesamtwirtschaftlich optimal, wenn alle diejenigen das Produkt konsumieren würden, denen es einen positiven Nutzen brächte, also auch diejenigen, deren Zahlungsbereitschaft unterhalb des festgelegten Preises liegt.

Vor dem Aufkommen der Tauschbörsen hatte man eine weitgehende Ausschließbarkeit beim Konsum von Informationsütern, was es den Urhebern ermöglichte, ein entsprechendes Entgelt zu generieren. Die Verteilung war jedoch auch nicht Paretooptimal. Doch mit Aufkommen der Tauschbörsen ist diese Ausschließbarkeit nicht mehr gewährleistet. Aus wirtschaftlicher Sicht können Informationen somit als öffentliche Güter bezeichnet werden. Bei dieser Güterart ist es deshalb schwierig, die - zwar vorhandene- Zahlungsbereitschaft der Konsumenten abzuschöpfen. Dies kann zur Folge haben, dass die Urheber möglicherweise die bei der Erstellung vorgenommenen Investitionen nicht mehr zurückbekommen.

Dadurch, dass man die Verbreitung der Werke in Tauschbörsen verbietet, wird eine Verknappung herbeigeführt, so dass die Gesamtwohlfahrt sinkt. Hinzu kommt, dass die Kosten für Abmahnungen und Schadenersatz einige wenige Tauschbörsennutzer sehr hart treffen, da es technisch nicht möglich ist, eine umfassende Kontrolle durchzuführen. Die gesamten Schadenersatzzahlungen reichen letztlich nur, um die Kosten der Gerichtsverfahren zu decken, jedoch können die Umsatzverluste dadurch nicht annähernd ausgleichen werden. Zumal nicht einmal eindeutig nachgewiesen ist, dass die verloren gegangene Ausschließbarkeit überhaupt einen signifikanten Teil der Umsatzrückgänge ausmacht. Des Weiteren bestehen Schwierigkeiten bei der Ermittlung der eigentlich Schuldigen, wobei die Rechtssprechung hier keinesfalls einheitlich ist. Daher ist es sowohl aus volkswirtschaftlichen als auch aus politischen Gründen empfehlenswert, die Privatkopie auch auf die Internettauschbörsen auszuweiten. Gewerbsmäßiger Handel mit kopierten Tonträgern ist natürlich weiterhin nicht zu gestatten.

Bei der theoretischen Legalisierung der Privatkopie mittels Internettauschbörsen ist nicht auszuschließen, dass dadurch noch mehr Nutzer den Weg in die Tauschbörsen finden werden. Dann bleibt es abzuwarten, ob die verschiedenen Geschäftsmodelle ausreichen, um Einkommen für Künstler zu erzielen, oder ob man lieber gleich eine politisch inizierte Umverteilung anstrebt. Die Umverteilung ist auch anzuwenden, wenn sich die Geschäftsmodelle als unzureichend herausstellen sollten. Vermutlich ist die Ausweitung der Kopiermöglichkeiten in Verbindung mit einer Ausgleichszahlung leichter politisch realisierbar. Diese Ausgleichszahlung bestünde in einem Aufschlag auf den Preis des Internetanschlusses sowie einer Abgabe auf Computer. Es gibt jetzt schon eine Abgabe auf beschreibbare Speichermedien und auf zum Kopieren genutzte Geräte, wie bspw. den Computer, um die Urheber für Privatkopien zu kompensieren. Die mögliche Kompensation für Kopien in Tauschbörsen wird als Kulturflatrate diskutiert, wobei etwa fünf Euro für eine DSL-Flatrate im Gespräch sind. Das Hauptproblem ihrer Durchführung liegt aber darin, die Einnahmen gerecht an die Urheber zu verteilen. Die Mittel aus den derzeit erhobenen Leermedienabgaben werden danach verteilt, wie häufig entsprechende Werke verkauft oder im Rundfunk gesendet wurden. In Tauschbörsen gelten jedoch nicht zwangsläufig die gleichen Proportionen in der Kopierhäufigkeit: Ein Test ergab sogar, dass es erhebliche Unterschiede gibt. Die tatsächlichen Downloadzahlen müssten also erst zuverlässig ermittelt werden. Es genügt dabei aber, die Verhältniszahlen der Werke untereinander zu kennen. Es gibt für diesen Zweck genügend technische Methoden, deren Fehlerquoten jedoch nicht eindeutig feststellbar sind. Für die Verteilung bedürfte es einer zusätzlichen großen Institution. Ein weiterer Nachteil der Kulturflatrate ist, dass sie von allen Internetnutzern zu entrichten wäre, auch von jenen, die keine Tauschbörsen nutzten. Der gleiche Sachverhalt liegt jedoch auch bei den bisherigen Leermedienabgaben und den Rundfunkgebühren vor.

In Anbetracht der gewonnenen Erkenntnisse halte ich die Kulturflatrate für die am erfolgversprechenste Lösung. Sie sollte auf alle Informationsgüter angewandt werden und nicht nur auf Musik allein. Die Alternative wäre, die Privatkopie ohne Kompensation zu erlauben, wobei man aber die bisherigen Leermedienabgaben abschaffen müsste, da es sonst eine Ungleichverteilung gäbe. Denn die Verteilung der Leermedienabgabe bemisst sich nach Sendehäufigkeit im Rundfunk und Verkaufszahlen. Doch in Tauschbörsen herrscht eine andere Verteilung vor. Und da die Daten ja auch auf Leermedien abgelegt werden, hätte man dann eine ungerechte Ausschüttung der Mittel. Diese letzte Alternative halte ich aber für kaum realisierbar, da die starken Interessensverbände der Inhalteindustrie wohl kaum etwas ohne Kompensation hergeben würden.

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